8.3.2.1 Allgemeines

Kommt der Tragwerksplaner zu dem Schluss, dass die Randbedingungen nach Kap. 8.3.1 nicht erfüllt sind, ist ein Querkraftnachweis nach den allgemeinen Regeln zur Bemessung erforderlich. Für diesen ist analog zum Nachweis der Biegetragfähigkeit zwischen Scheiben- und Plattenschub zu unterscheiden. Die Beanspruchung einer Mauerwerkswand in Wandebene (z. B. Aussteifungswand) wird mit Scheibenschub, die Beanspruchung senkrecht zur Wandebene (z. B. aus Wind oder Erddruck) wird als Plattenschub bezeichnet (s. Kap. 8.1). Ist ein Nachweis der Querkrafttragfähigkeit für Scheiben- oder Plattenschub erforderlich, so ist nach dem Teilsicherheitskonzept der Bemessungswert der einwirkenden Querkraft VEd dem entsprechenden minimalen Bemessungswert der Querkrafttragfähigkeit VRdlt gegenüberzustellen:

Gleichung 8.1

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass bei Mauerwerkswänden unter horizontalen Einwirkungen in Scheibenebene ergänzend zu den nachfolgend dargestellten Versagensarten infolge Querkraft stets auch ein Nachweis der Biegetragfähigkeit in Scheibenrichtung unter minimalen und maximalen vertikalen Einwirkungen erforderlich ist (s. Kap. 7.5). Gerade bei Wandscheiben mit großer Schubschlankheit ist dieser Nachweis häufig bemessungsrelevant.

Für den Nachweis der Querkrafttragfähigkeit sind nach dem allgemeinen Berechnungsverfahren in DIN EN 1996-1-1/NA die verschiedenen Versagensarten nach Kapitel 8.2.2 zu beachten. Für die einzelnen Versagensarten ist jeweils nachzuweisen, dass der Bemessungswert der einwirkenden Horizontallast VEd kleiner ist, als die aufnehmbare Querkraft VRdlt. Hierbei liefert für die Versagensarten Reibungsversagen, Steinzugversagen und Fugenversagen am Einzelstein stets die Berücksichtigung der minimalen Vertikallast NEd = 1,0 · NGk die relevante Querkrafttragfähigkeit, während beim Schubdruckversagen immer die maximale Vertikallast aus Eigengewicht und Nutzlasten anzusetzen ist (NEd = 1,35·NGk + 1,5·NQk).

Beim Nachweis der Biegetragfähigkeit (Biegedruckversagen) ist stets sowohl die minimale als auch die maximale Auflast zu untersuchen. Für die Berechnung der minimalen Auflast wird die Gleichung (3.9) nach Kap. 3.1.3 verwendet. Für die Berechnung der maximalen Auflast in den Versagensfällen Biegedruckversagen sowie Schubdruckversagen ist zu beachten, dass bei Ansatz der Kombinationsbeiwerte ψ0 zwei Einwirkungskombinationen zu untersuchen sind, da zum einen die veränderliche Vertikalkraft und zum anderen die (i.d.R. veränderliche) Horizontalkraft mit ψ0 beaufschlagt werden muss (s. Kap. 3.1.3).

Für die Querkraftbemessung von üblichem Mauerwerk reduziert sich der Aufwand aber deutlich, da i.d.R. nicht alle Versagensarten nachzuweisen sind. Schubdruckversagen ist nur bei verminderten Überbindemaßen lol/hu < 0,4 und „Fugenversagen am Einzelstein“ nur bei außergewöhnlichen Steinformaten (hu/lu > 1) und unvermörtelter Stoßfuge zu untersuchen. Beide Versagensfälle müssen daher nur ausnahmsweise bei einigen wenigen Ausführungsvarianten mit großformatigen Steinen beachtet werden.