7.3 Traglastfaktoren am Wand-Decken-Knoten

Der Nachweis der aufnehmbaren Normalkraft wird analog zum vereinfachten Verfahren ebenfalls an den Bemessungsstellen Wandkopf und -fuß geführt. Nach dem allgemeinen Verfahren müssen die Traglastfaktoren Φo am Wandkopf und Φu am Wandfuß zwar nach der gleichen Formel, jedoch getrennt voneinander unter Berücksichtigung der tatsächlich vorhandenen Schnittgrößen bzw. Ausmitten berechnet werden.

DIN EN 1996-1-1/NA verwendet zur Bestimmung des Bemessungswertes der Normalkraft ein starr-plastisches Werkstoffgesetz. Dies hat den Vorteil, dass eine Unterscheidung zwischen gerissenem und ungerissenem Querschnitt bei der Bestimmung der aufnehmbaren Traglast nicht erforderlich ist. Eine eventuelle, geringfügige Überschätzung der Tragfähigkeit des Mauerwerks wird durch den Sicherheitsbeiwert abgedeckt.

Die Traglastfaktoren Φo bzw. Φu zur Berücksichtigung der Lastexzentrizität berechnen sich wie folgt:

Gleichung 7.10

mit
eo,u   Lastexzentrizität am Wandkopf (o) bzw. Wandfuß (u) nach Gleichung (7.11)
t        Wanddicke

Dabei ist die Exzentrizität der Last ei am Kopf (o) bzw. Fuß (u) der Wand nach Gleichung (7.11) zu bestimmen:

Gleichung 7.11

mit
Mid   Bemessungswert des Biegemomentes aus der Exzentrizität der Deckenauflagerkraft am Kopf bzw. Fuß der Wand
Nid   Bemessungswert der am Kopf bzw. Fuß der Wand wirkenden Vertikalkraft
ehe   Exzentrizität am Kopf oder Fuß der Wand infolge horizontaler Lasten (z.B. Wind)
t       Wanddicke

Zur Berücksichtigung unvermeidbarer Imperfektionen ist grundsätzlich eine Mindestausmitte von e = 0,05 ∙ t anzusetzen (vgl. Gleichung (7.11)).

Des Weiteren werden Decken häufig nicht über die gesamte Wanddicke t, sondern nur mit einer Auflagertiefe a von beispielsweise a = 2/3 ∙ t ausgeführt. Dadurch liegt die Resultierende der Deckenauflagerkraft nicht in Wandmitte, sondern etwas exzentrisch, was beim Nachweis der Tragfähigkeit der Wand am Wand-Decken-Knoten durch die explizite Berücksichtigung der Lastausmitte berücksichtigt werden kann.

Darüber hinaus muss dies aber auch bei der Bestimmung der Knotenmomente beachtet werden. Daher wird bei der Ermittlung der Knotenmomente am Rahmensystem für die Dicke der entsprechenden Wand rechnerisch nur die tatsächliche Auflagertiefe (t = a) angesetzt. Der Nachweis am Wandkopf und am Wandfuß wird anschließend ebenfalls unter Ansatz eines ideellen Querschnitts mit der Wanddicke (t = a) geführt. In Wandhöhenmitte darf dagegen die tatsächliche Wanddicke t beim Nachweis in Ansatz gebracht werden. Dies gilt auch für die Ermittlung der Wandschlankheit.

Eine Besonderheit stellen Wände mit großer Lastexzentrizität dar, bei denen bei geringer Auflast gleichzeitig große Biegemomente aus Deckeneinspannung auftreten. Hier kann die Lastexzentrizität theoretisch außerhalb des Wandquerschnitts liegen (e ≥ t/2). Da in diesen Fällen das Mauerwerk jedoch vollständig plastizieren würde, darf die sogenannte „Rücksetzregel“ angewandt werden. Ist die rechnerische Ausmitte der resultierenden Last aus Decken und darüber befindlichen Geschossen infolge der Knotenmomente am Kopf bzw. Fuß der Wand größer als 1/3 der Wanddicke t, darf die resultierende Last auch vereinfacht über einen am Rand des Querschnittes angeordneten Spannungsblock mit der Ordinate fd abgetragen werden, dessen Breite höchstens gleich 1/3 der Wanddicke sein darf (Bild 7-4).

Ist die Ungleichung in Gleichung (7.12) erfüllt, dann darf die überdrückte Länge des Wandquerschnitts tc nach Gleichung (7.13) bestimmt werden, wobei diese dann kleiner sein muss als t/3.

Gleichung 7.12

Gleichung 7.13

Mit Anwendung der Gleichungen (7.12) und (7.13) ist der Nachweis der Biegetragfähigkeit geführt. Die Berechnung des Traglastbeiwertes Φo,u ist hier nicht zusätzlich erforderlich. Die aus dem Nachweis resultierenden Schnittgrößen am Wandkopf bzw. –fuß müssen dann auch bei der Schnittgrößenermittlung in Wandmitte angesetzt werden und sind ggf. mit denen aus Wind zu überlagern.

Zu beachten ist bei derart belasteten Wänden, dass Rissbildungen an der der Last gegenüber liegenden Seite der Wand infolge der dabei entstehenden Deckenverdrehung auftreten können. Diesen ist – wenn dies für die Gebrauchstauglichkeit erforderlich ist – durch konstruktive Maßnahmen entgegenzuwirken.