9.2 Horizontaler und vertikaler Lastabtrag

Aufgrund der vielfach geringen Auflast und der kleinen Biegezugfestigkeit von Mauerwerk senkrecht zur Lagerfuge ist ein einachsiger Lastabtrag über Biegung mit Normalkraft entsprechend der in Kap. 7 angegebenen Nachweismethodik bei Kellerwänden häufig nicht möglich. Das Tragverhalten von erddruckbelasteten Kellerwänden muss daher über eine Bogentragwirkung modelliert werden.

Zur Ausbildung eines in der Wand zwischen dem Fundament und der aufliegenden Kellerdecke liegenden Druckbogens muss dem Bogenschub eine hinreichende Auflast entgegenwirken. Gerade bei Kellerwänden mit geringen Auflasten und hoher Erdanschüttung wird diese Gleichgewichtsbedingung maßgebend. Durch die Auflast wird bewirkt, dass die Reibungskräfte zwischen der Wand und der Bodenplatte/dem Fundament als unteres Widerlager groß genug sind, um die Horizontalkräfte aufnehmen zu können. Darüber hinaus kann der Gewölbeschub auch durch ein ausreichend biegesteifes Bauteil aufgenommen werden.

Das Bogenmodell bewirkt, dass an den Widerlagerpunkten – die Kellerdecke und die Bodenplatte bzw. das Fundament – sowohl horizontal als auch vertikal gerichtete Auflagerkräfte aufgenommen werden müssen. Des Weiteren verändert sich durch die Gewölbewirkung die Lage der resultierenden Normalkraft in Bezug auf die Wanddicke über die Wandhöhe. Damit einhergehend wandert auch die Exzentrizität über die Wandhöhe von innen nach außen und wieder zurück (s. Bild 9-3).

Auch bei Kellerwänden aus Mauerwerk gilt, dass eine Biegezugfestigkeit senkrecht zur Lagerfuge rechnerisch nicht im Nachweis angesetzt werden darf, sodass bei Exzentrizitäten e > t/6 eine klaffende Fuge auftritt. Die Größe der Ausmitte e = M/N muss daher entsprechend begrenzt werden.

Wird die zur Sicherstellung der Bogentragwirkung erforderliche Auflast am Wandkopf nicht erreicht oder soll diese reduziert werden, kann beispielsweise die Dicke der Kellerwand erhöht und somit der Bogenstich vergrößert werden. Weitere konstruktive Maßnahmen zur Reduzierung der erforderlichen Vertikalkraft sind zum Beispiel:

  • Anordnen von vertikalen Stahlbetonbauteilen, sodass sich zwischen diesen Stützen eine horizontale Gewölbewirkung einstellt.
  • Anordnen von Stahlbetonrahmen, wodurch eine Membrantragwirkung aktiviert wird und die Abstützkräfte am oberen Riegel über Zugkräfte in den Stützen abgetragen werden

Wird eine solche Maßnahme ergriffen ist zu beachten, dass sich das Lastabtragungssystem ändert und sich ein horizontaler bzw. zweiachsiger Lastabtrag einstellt. Dieser kann auch bei hinreichend kleinem Abstand aussteifender Querwände aktiviert werden. Zur Sicherstellung der zugehörigen horizontalen Bogentragwirkung ist die Aufnahme der Horizontalkräfte an den Wandenden zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere, wenn infolge fehlender vertikaler Auflast die gesamte Erddruckbeanspruchung ausschließlich über horizontale Bogentragwirkung aufgenommen werden soll.

Zu beachten ist dabei, dass die Länge der aussteifenden Querwände mindestens l ≥ 0,2 ∙ hWand betragen muss. Außerdem sollten die Stoßfugen vermörtelt ausgeführt werden, damit die Horizontalkräfte in der Scheibenebene übertragen werden können. Des Weiteren sollte das Überbindemaß nicht kleiner als lol ≥ 0,4 ∙ hu sein.