8.3.3.1 Charakteristische Schubfestigkeit

Bei Plattenschubbeanspruchung ist im Allgemeinen nicht mit einem Versagen der Steine infolge Überschreitung der Steinzugfestigkeit sowie durch Überschreiten der schiefen Hauptdruckspannungen (Schubdruckversagen) zu rechnen. Deshalb dürfen diese Versagensarten für den Nachweis unter Plattenschubbeanspruchung unberücksichtigt bleiben. Zur Ermittlung der Schubfestigkeit findet daher lediglich das Kriterium Reibungsversagen Berücksichtigung.

Des Weiteren ist bei Plattenschub der mit dem Modell von Mann/Müller bei Scheibenschub anzusetzende Effekt des „Steindrehens“ von untergeordneter Bedeutung, so dass mit dem tatsächlichen Reibungsbeiwert zwischen Stein und Mörtel von µ = 0,6 gerechnet werden kann. Auf dieser Grundlage ermittelt sich der Maximalwert der charakteristischen Schubfestigkeit bei Plattenbeanspruchung gemäß DIN EN 1996-1-1/NA folgendermaßen:
 

vermörtelte Stoßfugen:

Gleichung 8.18

unvermörtelte Stoßfugen:

Gleichung 8.19

mit
fvk0   Haftscherfestigkeit nach Tabelle 8-1
σDd   Bemessungswert der zugehörigen Druckspannung an der Stelle der maximalen Schubspannung.
         Für Rechteckquerschnitte gilt σDd = NEd / A mit A nach Gleichung (8.20)

Eine Abminderung der charakteristischen Schubfestigkeit bei unvermörtelten Stoßfugen um den Faktor 2/3 ist nach dem Modell von Mann/Müller auch bei Plattenschub nicht gerechtfertigt. Dieser Faktor wurde in den Nationalen Anhang zu EC 6 lediglich aufgenommen, um eine gewisse Übereinstimmung mit der Querkrafttragfähigkeit bei Plattenschub nach DIN 1053-1 zu erreichen und gleichzeitig ungünstige Effekte des Teilsicherheitskonzeptes zumindest teilweise zu kompensieren.

Für die Bestimmung der maßgebenden Querschnittsfläche unter Berücksichtigung der überdrückten Wandlänge lc darf aufgrund der für den Querkraftnachweis maßgebenden Einwirkungskombination unter minimaler Normalkraft von linear elastischen Materialverhalten ausgegangen werden. Damit ergibt sich für die überdrückte Querschnittsfläche:

Gleichung 8.20

mit
tc,lin   überdrückte Wanddicke bei Ansatz einer linear-elastischen Materialverhaltens
l         Wandlänge
e        Exzentrizität der einwirkenden Normalkraft

Anmerkung: Die Berücksichtigung unterschiedlicher Haftscherfestigkeiten hinsichtlich der Ausführungsart der Stoßfugen ist nach Meinung der Verfasser sowohl bei Scheiben- als auch bei Plattenschubbeanspruchung mechanisch nicht gerechtfertigt, sondern folgt lediglich den bisherigen normativen Festlegungen von DIN 1053-1. Bei Plattenschub könnte anstelle der Werte nach Tabelle 8-1 sogar ein um den Faktor (1 + µ = 1,6) erhöhter fvk0-Wert verwendet werden, da diese Werte bereits eine Abminderung der Schubfestigkeit infolge Steindrehen beinhalten, welche nur bei Scheibenschub mechanisch begründet werden kann.