4.2.1 Einachsig und zweiachsig gespannte Decken

Generell sind die Schnittgrößen für alle bemessungsrelevanten Einwirkungskombinationen, die während der Nutzung und ggf. auch im Bauzustand auftreten, unter Berücksichtigung der Teilsicherheits- und Kombinationsbeiwerte bei der ungünstigster Anordnung der Nutzlasten zu berechnen. Die Bestimmung der in der Wand wirkenden Schnittgrößen infolge Eigenlasten und Nutzlasten erfolgt dabei auf der Grundlage der technischen Biegelehre. Im vereinfachten Berechnungsverfahren nach DIN EN 1996-3/NA sind bei Beachtung der zugehörigen Anwendungsbedingungen starke Vereinfachungen bei der Schnittgrößenermittlung möglich. Der wesentliche Vorteil besteht dabei darin, dass eine vorhandene Einspannung der Decken in die Wände mit den daraus resultierenden Knotenmomente nicht explizit berücksichtigt werden muss, sondern in den Traglastfaktoren des vereinfachten Nachweises integral erfasst wird. Bei Anwendung des allgemeinen Berechnungsverfahrens nach DIN EN 1996-1-1/NA ist dagegen stets eine aufwändigere wirklichkeitsnähere Bestimmung aller einwirkenden Schnittgrößen erforderlich, damit die vorhandenen Querschnittstragfähigkeiten besser ausgenutzt werden können.

Bei der Ermittlung der Stützkräfte – die von einachsig gespannten Platten- und Rippendecken sowie von Balken und Plattenbalken auf das Mauerwerk übertragen werden – ist die Durchlaufwirkung bei der ersten Innenstütze stets und bei den übrigen Innenstützen dann zu berücksichtigen, wenn das Verhältnis benachbarter Stützweiten kleiner als 0,7 ist. Alle übrigen Stützkräfte dürfen ohne Berücksichtigung einer Durchlaufwirkung unter der Annahme berechnet werden, dass die Tragstrukturen über allen Innenstützen gelenkig verbunden sind (Bild 4-6).

Tragende Wände unter einachsig gespannten Decken, die parallel zur Deckenspannrichtung verlaufen, sind mit einem Deckenstreifen angemessener Breite zu belasten. Hierzu wird in der Regel ein 1,0 m breiter Deckenstreifen angesetzt, um einen möglichen Lastabtrag in Querrichtung zu berücksichtigen. Die Auflagerkräfte von zweiachsig gespannten Decken sind der Deckenberechnung zu entnehmen oder können überschlägig aus den Einflussflächen ermittelt werden (Bild 4-7).

Bei zweiachsig gespannten Decken kann für die Berücksichtigung der am Wandkopf bzw. –fuß wirkenden Einspannmomente die maßgebende Deckenlänge zu 2/3 der kürzeren Deckenstützweite angenommen werden. Der Ansatz einer kürzeren Deckenstützweite bei zweiachsig gespannten Decken ist zulässig, weil gegenüber einachsig gespannten Decken bei gleicher Belastung günstigere statische Verhältnisse vorliegen:

  • Kleinere Auflagerdrehwinkel und daher auch kleinere Deckeneinspannmomente
  • Größere Biegesteifigkeit der Decke

Mit zunehmender Differenz der Deckenspannweiten verliert die günstige Wirkung der zweiachsigen Lastabtragung an Bedeutung. Der Faktor 2/3 darf daher nur bis zu einem Verhältnis der Deckenspannweiten von 1:2 angewendet werden. Wenn das Verhältnis der Deckenspannweiten 1:2 unterschreitet, darf kein zweiachsiger Lastabtrag mehr angesetzt werden; die Decke trägt die Lasten dann überwiegend nur noch einachsig in Richtung der kürzeren Spannweite ab.

Bei einer Berechnung nach dem vereinfachten Verfahren können in gewöhnlichen Wohnungs- und Bürogebäuden zur Ermittlung der einwirkenden maximalen und minimalen Normalkraft die veränderlichen Lasten als gleichmäßig wirkend (d.h. die gleiche Last auf allen Feldern oder keine Last auf allen Feldern, wenn dies maßgebend ist) angesetzt werden. Weitere Abminderungsfaktoren zur Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit der gleichzeitigen Wirkung veränderlicher Lasten in allen Geschossen sind in EN 1991-1/NA angegeben.

Wird ein Nachweis nach dem allgemeinen Verfahren durchgeführt, so dürfen bei gewöhnlichen Wohn- und Bürogebäuden die ständigen Lasten in allen Deckenfeldern und allen Geschossen mit dem gleichen Teilsicherheitsbeiwert (γg = 1,35 oder γg = 1,0) beaufschlagt werden. Die Nutzlast kann in zwei Anteile aufgeteilt werden: Eine Hälfte der Nutzlast muss als veränderliche Last angesehen und für die Ermittlung der Momente des Wand-Decken-Knotens ungünstig variiert werden. Die anderen 50 Prozent dürfen dagegen als ständig wirkend angesetzt werden. Grundsätzlich müssen alle veränderlichen Einwirkungen mit dem Teilsicherheitsbeiwert (γq = 1,5 oder γq = 0) beaufschlagt werden.