4.1.3 Schnittgrößen in aussteifenden Bauteilen

Bei der Aufteilung der Horizontallasten auf die Wandscheiben wird hinsichtlich der Anzahl der anzusetzenden Wandscheiben zunächst grundsätzlich zwischen statisch bestimmten und statisch unbestimmten Systemen unterschieden.

Bei statisch bestimmten Aussteifungssystemen mit drei Wandscheiben und einer Deckenscheibe kann die Aufteilung der Kräfte entsprechend (4.4) allein über die Gleichgewichtsbedingungen erfolgen.

Gleichung 4.4

Sind im Grundriss mehr als drei Wandscheiben vorhanden, müssen aufgrund der statischen Unbestimmtheit des Systems Verträglichkeitsbedingungen berücksichtigt werden, um die Lastverteilung auf die einzelnen Scheiben bestimmen zu können. Bei im Grundriss symmetrisch angeordneten Aussteifungselementen annähernd gleicher Biegesteifigkeit treten bei symmetrischer Belastung nur Verschiebungen des Systems in der jeweils betrachteten Richtung auf (Translation). Die resultierende Beanspruchung infolge Translation wird dann entsprechend der Biegesteifigkeit auf die Einzelelemente verteilt. In vielen Fällen ist es ausreichend, die gesamten Horizontalkräfte unter Berücksichtigung der Gleichgewichtsbedingungen nur den Bauteilen mit großer Steifigkeit zuzuweisen. Die Vernachlässigung von Pfeilern sowie kurzen und/oder vertikal gering belasteten Außenwänden ist eine vereinfachende auf der sicheren Seite liegende Annahme. Falls erforderlich, dürfen nach DIN EN 1996-1-1/NA, 5.5.3 (8) bis zu 15 % des jeweils ermittelten horizontalen Kraftanteiles einer Wand auf andere parallel verlaufende Wände umgelagert werden. Diese Annahme berücksichtigt den Steifigkeitsverlust in aussteifenden Wänden infolge von Rissbildung im Grenzzustand der Tragfähigkeit.

Ist ein rechnerischer Nachweis der Standsicherheit des Gesamtbauwerks erforderlich, darf dieser im Regelfall getrennt für die beiden Hauptrichtungen rechtwinklig zu den Außenwänden geführt werden. Die Aufteilung der Horizontallasten (QG) und der daraus resultierenden Biegemomente (MG) darf bei symmetrischer Anordnung der Aussteifungswände und symmetrischem Lastangriff entsprechend der jeweiligen Biegesteifigkeit der Einzelwände (EI) bezogen auf die Gesamtbiegesteifigkeit (ΣEI) erfolgen. Die auf eine Wand i anzusetzenden Schnittgrößenanteile ergeben sich dann zu:

Gleichung 4.5

Gleichung 4.6

mit

MG   resultierendes Biegemoment
QG   resultierende Horizontallasten
Ei     E-Modul der Einzelwände
Ii      Trägheitsmoment der Einzelwände
i       Laufvariable Wand i

Bestehen alle Wände aus gleichen Baustoffen und haben somit den gleichen E-Modul, vereinfachen sich die Gleichungen:

Gleichung 4.7

Gleichung 4.8

mit

MG   resultierendes Biegemoment
QG   resultierende Horizontallasten
Ii      Trägheitsmoment der Einzelwände
i       Laufvariable Wand i

Die vorgenannten Gleichungen gelten jedoch nur bei symmetrischen Grundrissen und symmetrischem Lastangriff. Es ist zu beachten, dass nach DIN EN 1991-1-4/NA grundsätzlich sowohl symmetrisch als auch unsymmetrisch angreifende Windlasten als zwei getrennt zu untersuchende Lastfälle anzusetzen sind. Bei unsymmetrischen Grundrissen oder exzentrischem Lastangriff können die Horizontallasten auf den Schubmittelpunkt des Gesamtsystems bezogen werden und die in den einzelnen Wandscheiben auftretenden Kräfte wie bei einem symmetrischen Aussteifungssystem berechnet werden. In diesem Fall kann die Verschiebung der starren Deckenscheiben aus einer Translation und einer Rotation zusammengesetzt werden. Der Drehruhepunkt (Schubmittelpunkt des Gesamtsystems) ist gleich dem Schwerpunkt der Wandträgheitsmomente und berechnet sich nach Gleichung (4.9) und (4.10).

Gleichung 4.9

Gleichung 4.10

mit

Ix,i   Trägheitsmoment in der x-Achse der Einzelwände
Iy,i   Trägheitsmoment in der x-Achse der Einzelwände
xi    Abstand der Wand i in x-Richtung zum Koordinatenursprung
yi    Abstand der Wand i in y-Richtung zum Koordinatenursprung
i      Laufvariable Wand i